Über diese Seite

Irgendwann gegen Ende des Jahres 2014 erfasste mich wohl eine Art Politikverdrossenheit. Immer häufiger gewann ich den Eindruck, dass sich politische Diskussionen in Deutschland zunehmend von dem entfernten, was mir als rational, vernünftig oder sachlich irgendwie nachvollziehbar erschienen wäre. Stattdessen meinte ich, von allen Seiten zunehmend marktschreierisch anmutende Anstrengungen zu vernehmen, Mehrheiten für sich und gegen andere zu vereinnahmen. Von situativen Einzelfällen abgesehen sah ich bald keine Partei oder politische Entscheidungsträger mehr, denen ich mein politisches Votum hätte anvertrauen wollen.

Vermutlich hat man – ohne es gleich zu merken – manchmal ein Brille auf, durch die man das sieht, was einen selbst am meisten beschäftigt. Jedenfalls glaubte ich in dieser Zeit, bei anderen ganz ähnliche Zweifel erkennen zu können. Mehr als einmal hörte oder las ich, man würde bei der nächsten Gelegenheit gerne zur Wahlurne schreiten, halte dies auch für eine staatsbürgerliche Notwendigkeit, wisse aber schlicht und ergreifend nicht, wen man wählen solle.

Aus dieser Situation heraus begannen sich die hier vorgestellten Überlegungen zu entwickeln. Zunächst stand die Frage im Vordergrund, wie man jemanden, der für sich keine wählbare Partei findet, der also mit allen zur Wahl stehenden Parteien mehr oder weniger unzufrieden ist, trotzdem in das politische Geschehen und die politisch-gesellschaftliche Diskussion einbinden bzw. welche Art von „Ersatzpartei“ man eventuell als Alternative anbieten könnte.

Über die Jahre gewann diese Ersatzpartei gedanklich an Konturen und der Sachaspekt politischer Entscheidungen rückte dabei immer weiter in den Vordergrund. Rückblickend ist dies natürlich nicht verwunderlich: Je stärker man individuelle oder parteipolitische Interessen und Ambitionen auszuklammern versucht, desto stärker rücken sachliche Erwägungen in den Vordergrund.

Allerdings stießen diese Gedanken bei anderen Personen, denen ich mich mitzuteilen versuchte, zunächst eher auf Befremden oder zumindest auf geringes Interesse. Verwundern kann auch dies nicht. Politik, in der der Streit um Meinungshoheit und parteipolitische Vorherrschaft ein wenig in den Hintergrund treten soll, klingt zunächst nach einer naiven Träumerei.  Wie einer meiner Gesprächspartner sagte: Demokratie lebt nun einmal vom „Entscheidungsgetümmel“, da muss man eben durch!

In jüngerer Zeit tauchte im Zuge der Klimadebatte und anschließend mit Beginn der Covid-Pandemie in verschiedenen Variationen wieder öfter die Frage auf, ob Wissenschaftler nicht doch die besseren politischen Politiker wären. Der Grund für dieses Interesse dürfte auch darin begründet sein, dass Covid ein sehr faktisches (nämlich medizinisches) Problem ist, das die positiven und negativen Auswirkungen politischer Entscheidungen relativ schnell und eindeutig sichtbar und für alle persönlich erfahrbar werden lässt.

Auch andere Probleme sind jüngst stärker an die Oberfläche getreten (am dramatischsten z.Z. sicherlich der Krieg in der Ukraine) und man kann sich fragen, ob „Entscheidungsgetümmel“ wirklich die Methode der Wahl sein sollte, zukünftig damit umzugehen. Zumindest durfte es sinnvoll sein, Ideen oder Vorschläge zu entwickeln und zu testen, um die parlamentarische Arbeit leistungsfähiger zu gestalten. „Demokratie“ ist keine unumstößliche Wahrheit, sondern eine in vielen Jahrhunderten erprobte und immer wieder modifizierte Methode, das gemeinsame Zusammenleben zu gestalten. Nichts spricht dagegen, dass sie sich auch heute noch weiter entwickeln kann.

Diese Seite soll dazu einen Beitrag leisten und einige entsprechende Ideen beschreiben und zur Diskussion stellen. Genau genommen geht es dabei um zwei relativ eigenständige Bestandteile:

Zunächst wird die Anatomie politischer Entscheidungen skizziert und überlegt, an welchen Stellen sachliche Beiträge sinnvoll sein könnten. Dabei wurde versucht, auf bestehende Konzepte zurückzugreifen bzw. diese in das Gesamtkonzept zu integrieren. Beispielsweise gibt es elaborierte Ansätze für eine „evidenzbasierten Politikgestaltung“. Diese werden im hier vorgestellten Konzept als Baustein integriert und es wird auf einige relevante Arbeiten dazu verwiesen (ein bescheidenerer Anspruch muss hier genügen, dem Autor stehen keine Ressourcen für eine wissenschaftlich fundierte Ausarbeitung zur Verfügung).

Im zweiten Schritt wird der Vermutung Rechnung getragen, dass ein Konzept, welches relativ weitgehend in politische Entscheidungsprozesse eingreift, kaum ein Chance hätte, tatsächlich realisiert zu werden. Dazu wären tiefgreifende Eingriffe von verfassungsrechtlichem Belang nötig, die auf absehbare Zeit kaum durchgesetzt werden könnten. Stattdessen wird unter Bezug auf die oben geschilderte Ausgangslage des Autors ein Konzept für ein „Pseudopartei“ entwickelt, mit deren Hilfe eventuell doch eine Umsetzung innerhalb des gesetzten Verfassungsrahmens möglich ist.

Bereits Anfang 2016 gab es diesbezüglich einen Austausch mit dem Büro des Bundeswahlleiters, bei dem einige Probleme angesprochen wurden: Grundgesetz und Parteienrecht gehen verständlicherweise davon aus, dass Parteien entscheiden und ihre Abgeordneten möglichst für eine ganze Legislaturperiode entsenden wollen. Explizit nicht-entscheidende Parteien, eventuell sogar mit fachspezifisch variierenden Abgeordneten sind nirgendwo vorgesehen.

Nun, über 5 Jahren später, ist mir leider immer noch unklar, wie man eine Pseudopartei verfassungs- und parteienrechtlich korrekt konstituieren und implementieren könnte. Als Nicht-Jurist fühle ich mich auch nicht wirklich in der Lage, diese komplexe und gleichzeitig verantwortungsvolle Aufgabe hinreichend zu bewältigen. Und von mir bislang kontaktierte – und stets freundlich und aufmerksam antwortende – juristische Experten fanden einerseits natürlich auch keine schnelle Lösung, sahen andererseits aber für sich selbst keine Möglichkeit oder Veranlassung, sich auf ein so unbestimmtes und wohl nicht unbedingt erfolgversprechendes Thema einzulassen.

Die vorgestellten Überlegungen einfach zu vergessen, schien mir jedoch nicht angemessen. Vermutlich werden die nächsten Jahrzehnte von uns allen politische und gesellschaftliche Höchstleistungen erfordern, und auch ein kleiner gedanklicher Beitrag könnte dabei möglicherweise hilfreich sein, selbst wenn er nur einen Anstoß für andere Ideen liefert.

So entstand diese Internet-Seite. Sie soll dazu dienen, die bisher entwickelten Überlegungen festzuhalten und anderen zugänglich zu machen.

Aleph Kreps, im Mai 2022